Die magische Welt der Nachtschatten
Daman, Frau Alraune und deren Begleiter
Im Stück wird die magische Welt durch diese Figuren dargestellt. Der Beginn der Verfolgungswelle beruhte nicht zuletzt auf den dringenden Bitten der Bevölkerung, endlich etwas gegen die Bedrohung durch Hexen zu unternehmen. Der Glaube an die Existenz von Hexen war im Volk tief verwurzelt. Hexe oder Hexer wurde man aber nicht von Geburt an, sondern durch den Pakt mit dem Teufel und seinen Dienern. Die Existenz von Hexen setzte damit selbstverständlich die Existenz des Teufels und seiner Dämonen in der tatsächlichen Welt voraus, die Menschen zum Pakt mit dem Teufel verführten.
Dieser besiegelte den Abfall von Gott und war somit Gotteslästerung. Damit verbunden war die Vorstellung der so genannten Teufelsbuhlschaft, dem Geschlechtsverkehr zwischen Hexe oder Hexer mit dem Teufel oder einem Dämon. Die Klärung und Schilderung dieses Details war den Verhörenden im Geständnis der Gefolterten besonders wichtig. Der Name Daman wurde dann auch tatsächlich in einem Verhörprotokoll der Werdenfelser Hexenprozesse als Name des Buhlteufels genannt.
Die Alraune gehört zu den sagenumwobensten
Vertretern des Pflanzenreichs. Schon im Altertum war sie im Mittelmeerraum als Heilpflanze bekannt. Im Mittelalter gelangte sie als Zauberpflanze zu Berühmtheit. Die hoch giftigen Inhaltsstoffe des Nachtschattengewächses, das nahe mit der Tollkirsche und dem Bilsenkraut verwandt ist, trugen dazu bei, den magischen Ruf der Alraune zu fördern. Die sonderbar
geformte Wurzel konnte man - mit etwas Phantasie - für kleine menschliche Figuren halten. Dieses Aussehen gab zu allerlei magischen Spekulationen Anlass. So war der Glaube weit verbreitet, dass die Alraune beim Herausziehen ihrer Wurzel einen Schrei von sich geben würde, durch den Menschen sofort sterben müssten. Um dies zu verhindern, band man bei der Ernte der Pflanze einen Hund mit einem Seil an ihrer Wurzel fest. Die Person, die die Alraune ernten wollte, verstopfte sich die Ohren mit Wachs und rief anschließend den Hund zu sich, der so die Wurzel aus der Erde zog. Der Schrei, der dabei angeblich ertönte, tötete so den Hund anstelle des Menschen. Man war der festen Überzeugung, dass der Pflanze übernatürliche Kräfte innewohnten: Alraunen, die unter Galgen wuchsen, galten als besonders zauberkräftig.
Vor allem zählte sie als Bestandteil von Liebestränken, Hexenflugsalben und als Talisman zu den wichtigsten Zutaten der “Hexenküche“. Der Grund hierfür lag an den Inhaltsstoffen, die heftigste Sinnestäuschungen
auslösen. Schon in frühen naturwissenschaftlichen
Schriften berichten Gelehrte, dass die Alraune für die Herstellung von Narkotika und Schlafmitteln
verwendet wurde. Wenn man Bestandteile der Pflanze zu sich nahm, stellte sich etwa die Halluzination ein, sich in ein Tier zu verwandeln, mit Geistern sprechen oder gar fliegen zu können. Außerdem hieß es, die Alraune könne die Liebe und die Fruchtbarkeit fördern, ja man glaubte sogar, ein Sud aus Alraune könne einen Menschen in die Lage versetzen, sein Geschlecht zu wechseln! Außerdem sollte die sonderbare Wurzel Glück bringen und vor Schaden schützen. Und so gab mancher Mensch ein wahres Vermögen dafür aus, um in den Besitz eines Alraunenmännleins oder -weibleins zu gelangen. Daher verwundert es nicht, dass mit Alraunen ein reger Handel getrieben wurde und bald auch jede Menge gefälschte Wurzeln in Umlauf gelangten. Noch heute kann man in Wien zwei in Samtkleider gehüllte unechte Alraunen bestaunen, die Kaiser Rudolf II. in seinem Besitz hatte.
Die im Stück vorkommende Frau Alraune symbolisiert damit auch den Glauben der Menschen an die Existenz von Magie.
Michael Karrasch
Textquelle: Antje Peters-Reimann in Hortulus
Floristik und Gartenkultur
Abbildung Alraun-Frau:
im Hortus sanitatis, Mainz 1491