Eugène Ionesco

Eugène Ionescu wurde 1909 im Königreich Rumänien geboren. Seine Mutter Therese Zicard stammte aus Frankreich, sein Vater war rumänischer  Beamter. Die Familie zog 1913 nach Paris. 1916 kehrte er ohne seine Familie nach Rumänien zurück um sich scheiden zu lassen und heiratete erneut. Die Mutter konnte die Familie in Frankreich nur mühsam mit Gelegenheitsarbeiten ernähren. Ionesco lebte zeitweise in einem Kinderheim. 1925 zogen die Kinder zu ihrem Vater nach Bukarest, aber kurz darauf überwarf sich Ionesco mit seinem autoritären Vater, der die literarischen Interessen seines Sohnes verachtete und für seinen Sohn eine Laufbahn als Ingenieur vorsah. Ionesco studierte Französisch an der Universität Bukarest.  Während des Studiums veröffentlichte Ionesco erste literarische Arbeiten und erlebte das Aufkommen des rumänischen Faschismus. 1938 verließ er das zunehmend totalitäre Rumänien für ein Promotionsstipendium in Frankreich. Während des zweiten Weltkriegs zog er mit seiner Frau zwischen beiden Ländern hin und her, bis sich die Familie zuletzt endgültig in Frankreich niederließ. Zunächst arbeitete Ionesco als kleiner Angestellter in einem juristischen Verlag.

1948 entstand sein erstes Theaterstück „Die kahle Sängerin“; es folgten Werke wie „Die Unterrichtsstunde“ und „Die Stühle“, welche ihn als absurd-witzigen Autor etablierten und erste Erfolge bescherten. Im Herbst 1957 erschien die Erzählung „Rhinocéros“, mit der Ionesco auf den für ihn seuchenhaft anmutenden Ausbruch von Hurra-Patriotismus und Rassismus in Frankreich während des Algerienkriegs reagierte.  Das gleichnamige Theaterstück schrieb er 1958. Die Uraufführung fand 1959 in Düsseldorf statt. Das Publikum bezog das Werk auf den Nationalsozialismus. Ionesco selbst erklärte jedoch später, dass sich das Stück nicht auf eine bestimmte Ideologie bezieht, sondern eine generelle Kritik an jeder Massenbewegungen darstellt. Die Uraufführung in Frankreich fand im Januar 1960 in Paris im Théâtre de Odéon statt.

Ionesco avancierte in der Folge zu einem erfolgreichen Autor, der

schließlich 1970 in die „Academie française“ aufgenommen wurde. 

Er selbst litt aber unter der medialen Aufmerksamkeit und verfiel zunehmend in schwere Depressionen. Er begann mit Malerei dagegen anzukämpfen. Neben zahlreichen Gemälden entstanden auch viele grafische Arbeiten. Als Ionesco 1994 in Paris starb, war er nicht nur der ungekrönte König des absurden Theaters, sondern ist nach wie vor auch einer der meistgespielten französischen Dramatiker weltweit.

Seine Stücke handeln von Menschlichkeit und Entmenschlichung – vor allem durch Konformismus, der dort entsteht, wo es an Menschlichkeit fehlt.

In einem Interview aus dem 1982 erzählt Eugène Ionesco:

 

„Als ich mit 13 Jahren nach Rumänien zurückkehrte, um dort zu leben, war mein erster Kontakt mit der politischen Realität, mit anzusehen, wie ein Offizier des Königs einen Bauern ohrfeigte, der seinen Hut nicht vor der Fahne des Landes abnahm. Ich habe seitdem eine unumkehrbare Abscheu, ein instinktives Misstrauen gegenüber jedwedem Ort der Beflaggung. Anschließend habe ich den Aufstieg des Nazismus erlebt. Ich habe junge Menschen meines Alters gesehen, die sich gewissenlos und überschwänglich der Eisernen Garde angeschlossen haben. Sie warfen die jüdischen Studenten aus den Fenstern der Medizinfakultät. Auf der Straße zwangen sie Menschen mit größeren Nasen, ihre Hosen herunterzuziehen, um zu sehen, obsie beschnitten sind. In meiner eigenen Familie schlug man die Hausangestellten. Und wieviele Male habe ich meinen Vater das Dienstmädchen ohrfeigen sehen. Also, wenn Sie wollen, dass wir über meine politischen Überzeugungen reden, müssen wir da anfangen: Aus diesem Zoo stammt mein Rhinocéros. (…) Im Rumänien jener Zeit realisierte ich, dass die Barbarei immer eine konsistente Maschinerie war. Verstehen Sie recht: Alle wurden Nazi, die Intellektuellen, die Lehrer, die Zeitungen, die Menschen

auf der Straße. Es gab eine neue Wissenschaft, eine neue Biologie, eine neue politische Ökonomie, eine neue Moral, und ich sagte mir: ‚Wie konnte ich gegen die ganze Welt Recht haben?‘ Ich dachte, ich würde verrückt. Als ich selbst nach Frankreich flüchtete und Individuen traf, die ähnlich verrückt wie ich waren, schwächte sich diese Seelenqual etwas ab. Aber wenn ich da drüben geblieben wäre, wäre ich verloren gewesen, ganz sicher. Das ist der Grund, warum meine Hauptfigur in Rhinocéros am Ende lamentiert: ‚Ich wäre gerne wie sie...‘ (..) Man wird den totalitären Mechanismus niemals verstehen, wenn man nicht von Folgendem ausgeht: Die Menschen haben selten die Kraft, dauerhaft allein dazustehen.“ 

"Le peuple des arbres", Gemälde von Ionesco,

© Rheinisches Bildarchiv Köln, rba_d037100